Interview mit Małgorzata Szumowska

 

Wie kamen Sie zu dieser Geschichte?

Ich wollte einfach einen Film über diese Art von Sehnsucht nach Liebe, Zuneigung und Nähe drehen. Ich weiß, das mag trivial klingen, aber dieses Gefühl, von sich selbst abgeschnitten zu sein und im Kontakt zu anderen Menschen zu merken, dass da irgendetwas fehlt, eine große Sehnsucht zu haben nach etwas Starkem und Mächtigem - das war der Ausgangspunkt für mich. Ich fand dann eine Kurzmitteilung in einer Zeitung über einen Jungen, eigentlich einen jungen Mann, der auf ziemlich brutale Weise einen Priester getötet hatte. Obwohl das eine völlig andere Geschichte war, kam mir plötzlich die Idee: ich mache einen Film über einen Priester, der es wagt, zu lieben!

Dieses Thema wird oft in einem Kontext von Missbrauch behandelt. Sie aber haben daraus eine Liebesgeschichte gemacht. Warum?

Das Internet ist voll mit Geschichten über Jungs, Kinder, Jugendliche, die von Priestern missbraucht wurden. Das sind schockierende, heftige Geschichten. Sie lassen einem nur die eine Art, moralisch darüber zu urteilen. Einen solchen Film mit einer solchen Figur zu machen, würde bedeuten, dass ich auf die gleiche Art und Weise über ihn urteilen müsste. Es wäre logischerweise ein Film mit einem journalistischen Ton. Das alles interessierte mich nicht. Mich interessierte die Liebe, die Sehnsucht nach einer Liebe, die als Sünde gilt. Etwas, von dem viele Menschen sagen, es sei das Natürlichste der Welt, wird zu etwas Bösem, wenn es um einen Priester geht - ganz unabhängig davon, dass das Paar aus zwei Männern besteht. Ein Priester, der auch nur ein Mensch ist, wird plötzlich zum Opfer seines eigenen Glaubens, seiner eigenen Religion, nur, weil er sich verliebt und das auch noch in einen anderen Mann. Ich wollte einen Film machen, in dem ich über meine Figuren nicht urteile, in dem ich einen menschlichen Blick auf sie werfe und sie verteidige. Was nicht heißt, dass ich das Thema Missbrauch unter den Teppich kehre - es sollte nur vielschichtiger in meinem Film auftauchen.

Wie sind Sie auf Ihre Schauspieler gekommen?

Ich mag keine Castings. Ich finde meine Schauspieler im Kino, auf der Theaterbühne, manchmal auf Partys. Andrzej Chyra ist einer der besten Schauspieler Polens - also habe ich ihm mit Michał Englert zusammen das Drehbuch auf den Leib geschrieben. Mateusz Kościukiewicz ist durch mehrere Rollen recht bekannt geworden und hat ziemlich schnell Karriere gemacht. Tatsächlich habe ich sofort über dieses Paar nachgedacht, als ich zu schreiben anfing. Ich schreibe gerne mit den passenden Schauspielern im Hinterkopf; ich weiß, was sie können, also schreibe ich für sie. Danach stecke ich dann viel Arbeit in die Vorbereitung, die Proben und all das, was später beim Dreh passiert.

Machen Ihnen kontroverse Themen Angst? Wie hat denn die polnische Kirche reagiert, als sie von dem Projekt erfuhr?

Ich weiß nicht, ob ich Angst habe. Ich bin sehr neugierig, weiß aber auch genau, dass eine große Gruppe von Menschen diesen Film ablehnen wird, also all jene, die der Kirche und den konservativen Parteien nahe stehen. In Polen ist das alles Tabu, auch wenn die Medien durch immer mehr Tricks versuchen, es zur Sprache zu bringen, erzeugt es jedes Mal einen Skandal. Was ich nicht wollte, war eine billige Sensation, ein Getöse und Geschrei. Ich bin mehr für ernsthafte Diskussionen. In Polen haben wir ein ernstes Problem damit, Unterschiede und Äußerungen des Anders-Seins zu akzeptieren. Unsere Gesellschaft identifiziert sich immer noch zu 90% als katholisch, und das ist leider in den meisten Fällen ein Synonym für Verbohrtheit. Ich glaube, dass dieser Film ein wichtiger Diskussionsbeitrag sein kann.

Was beeinflusst Sie in Ihrer Arbeit mit dem Kameramann Michał Englert?

Mit Michał Englert arbeite ich zusammen, seit ich Filme mache. Dieses Mal haben wir auch das Drehbuch zusammen geschrieben, was wir auch schon auf der Filmhochschule gemacht haben. Es ist toll, wenn man sich künstlerisch versteht, ohne miteinander darüber reden zu müssen. Während er sich mit der Kamera beschäftigt, arbeite ich mit den Schauspielern, was ich sowieso am liebsten mache. Dank Michał kann ich mich völlig darauf konzentrieren. Es ist ziemlich ungewöhnlich, als Regisseurin eine solch enge Beziehung zu seinem Kameramann zu haben, aber dafür sind die polnischen Kameramänner, die in Łódź ausgebildet wurden, international bekannt. Und doch ist Michał unter ihnen einzigartig - wir arbeiten an jedem Aspekt des Films zusammen, sogar beim Schnitt und beim Sounddesign. Das gleiche ist bei unserem Cutter Jacek Drosio der Fall, mit dem ich ebenso bisher jeden meiner Filme geschnitten habe. Ich kann sagen, dass wir so was wie ein Künstlerkollektiv sind - ich kann mir nicht mehr vorstellen, ohne sie Filme zu machen.